Kurze Trauergedichte von Rainer Maria Rilke

Der Tod ist groß,
Wir sind die Seinen
lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.

Rainer Maria Rilke

Dass wir erschraken, da du starbst, nein,
dass dein starker Tod uns dunkel unterbrach,
das Bisdahin abreißend vom Seither:
das geht uns an;
das einzuordnen wird die Arbeit sein,
die wir mit allem tun.

Rainer Maria Rilke

Wenn etwas uns fortgenommen wird,
womit wir tief und wunderbar zusammenhängen,
so ist viel von uns selbst mit fortgenommen.
Gott aber will, dass wir uns wiederfinden –
reicher um alles Verlorene und vermehrt
um jenen unendlichen Schmerz.

Rainer Maria Rilke

Wenn du an mich denkst,
erinnere dich an die Stunde,
in welcher du mich am liebsten hattest.

Rainer Maria Rilke

Irgendwo blüht die Blume des Abschieds
und streut immerfort Blütenstaub,
den wir atmen, herüber;
auch noch im kommensten Winter
atmen wir Abschied.

Rainer Maria Rilke

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dingen ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.

Rainer Maria Rilke

So lass uns Abschied nehmen wie zwei Sterne
durch jenes Übermaß von Nacht getrennt,
das eine Nähe ist, die sich an Ferne
erprobt und an dem Fernsten sich erkennt.

Rainer Maria Rilke

O Herr, gib jedem seinen eignen Tod.
Das Sterben, das aus jenem Leben geht,
darin er Liebe hatte, Sinn und Not.

Rainer Maria Rilke

Vergangen nicht,
Verwandelt ist,
Was war.

Rainer Maria Rilke

Trauergedichte von Johann Wolfgang von Goethe

Eines Morgens wachst Du nicht mehr auf.
Die Vögel singen, wie sie gestern sangen.
Nichts ändert diesen neuen Tagesablauf.
Nur Du bist fortgegangen.
Du bist nun frei und unsere Tränen wünschen Dir Glück.

Johann Wolfgang von Goethe

Über allen Gipfeln
Ist Ruh‘,
In allen Wipfeln
Spürest Du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur! Balde
Ruhest du auch.

Johann Wolfgang von Goethe

Der du von dem Himmel bist,
Alles Leid und Schmerzen stillest,
Den, der doppelt elend ist,
Doppelt mit Erquickung füllest,
Ach, ich bin des Treibens müde!
Was soll all der Schmerz und Lust?
Süßer Friede,
Komm, ach komm in meine Brust!

Johann Wolfgang von Goethe

Mich lässt der Gedanke an den Tod in völliger Ruhe.
Ist es doch so wie mit der Sonne:
Wir sehen sie am Horizont untergehen,
aber wissen, dass sie „drüben“ weiter scheint.

Johann Wolfgang von Goethe

Es ist eine Ferne,
die war, von der wir kommen.
Es ist eine Ferne,
die sein wird, zu der wir gehen.

Johann Wolfgang von Goethe

Was man tief in seinem Herzen besitzt,
kann man nicht durch den Tod verlieren.

Johann Wolfgang von Goethe

Wir hoffen immer, und in allen Dingen
ist besser hoffen als verzweifeln.

Johann Wolfgang von Goethe

Ich höre auf zu leben,
aber ich habe gelebt;
so leb auch du,
mein Freund, gern und mit Lust,
und scheue den Tod nicht.

Johann Wolfgang von Goethe

Ein kleiner Ring begrenzt unser Leben
und viele Geschlechter reihen sich dauernd
an ihres Daseins unendliche Kette.

Johann Wolfgang von Goethe

Trauergedichte von Friedrich Schiller

Rasch tritt der Tod den Menschen an,
es ist ihm keine Frist gegeben,
es stürzt ihn mitten in die Bahn,
es reißt ihn fort vom vollen Leben.
Bereitet oder nicht, zu gehn,
er muß vor seinem Richter stehn.

Friedrich Schiller

Vor dem Tod erschrickst du? Du wünschest, unsterblich zu leben?
Leb im Ganzen! Wenn du lange dahin bist, es bleibt.

Friedrich Schiller

Der Tod entbindet von erzwungnen Pflichten,
– Ihm haben wir nichts weiter zu entrichten.

Friedrich Schiller

Trauersprüche von Dietrich Bonhoeffer

Herr, in mir ist es finster, aber bei dir ist das Licht.
Ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht.
Ich bin kleinmütig, aber bei dir ist Hilfe.
Ich bin unruhig, aber bei dir ist der Friede.
Ich verstehe deine Wege nicht,
aber du weisst den Weg für mich.

Dietrich Bonhoeffer

Je schöner und voller die Erinnerung,
desto schwerer ist die Trennung.
Aber die Dankbarkeit verwandelt
die Erinnerung in eine stille Freude.
Man trägt das vergangene Schöne
nicht wie einen Stachel,
sondern wie ein kostbares Geschenk in sich.

Dietrich Bonhoeffer

Von guten Mächten wunderbar geborgen
Erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
Und ganz gewiß an jedem neuen Tag.

Dietrich Bonhoeffer

Trauergedichte von Hermann Hesse

Entreiss Dich, Seele,
nur der Zeit.
Enreiss Dich Deiner Sorgen.
Und mache Dich
zum Flug bereit.
In den ersehnten Morgen.

Hermann Hesse

Wenn der Tod mir Blut und Glieder stillt,
Sprecht mit Lächeln euer Trauerwort!
Still in Trümmer sinkt ein flüchtig Bild;
Was ich bin und war, lebt fort und fort.

Hermann Hesse

Auch der schönste Sommer will
einmal Herbst und Welke spüren,
Halte, Blatt, geduldig still,
wenn der Wind dich will entführen.
Spiel dein Spiel und wehr dich nicht,
lass es still geschehn,
lass vom Wind, der dich bricht,
dich nach Hause wehen.

Hermann Hesse

Weitere kurze Trauergedichte

Immer enger, leise, leise,
Ziehen sich die Lebenskreise,
Schwindet hin, was prahlt und prunkt,
Schwindet Hoffen, Hassen, Lieben,
Und ist nichts in Sicht geblieben
Als der letzte dunkle Punkt.

Theodor Fontane

Du kamst, du gingst mit leiser Spur,
ein flücht’ger Gast im Erdenland;
Woher? Wohin? Wir wissen nur:
Aus Gottes Hand in Gottes Hand.

Ludwig Uhland

Ich bin nicht tot,
ich tausche nur die Räume,
ich leb‘ in euch
und geh‘ durch eure Träume.

Michelangelo Buonarroti