Warum diese Eile … ? Versuch einer kritischen Würdigung der „Reerdigung“

Immerhin ist es dem Anbieter „Meine Erde“ gelungen, den für die von ihm angebotene Schnellkompostierung von Verstorbenen gewählten Namen „Reerdigung“, der vermutlich in Anlehnung an das US-amerikanische Pendant „Recompose“ entstand, innerhalb kurzer Zeit als Deonym zu etablieren. Auch über die Fachwelt hinaus ist diese in der Bestattungspraxis bislang keine Rolle spielende Bestattungsform inzwischen gefühlt in aller Munde. Während das Produkt und der damit verbundene Vorgang vom Anbieter, wenig überraschend, mit blumigen Worten als „Die schönste Art zu bleiben“ beschrieben werden, häufen sich die Stimmen aus Wissenschaft, Forschung und Rechtswesen, die das Verfahren kritisch sehen und vor allem die damit verbundene Intransparenz und schlechte Datenlage beklagen.

Dr. Fabian Lenzen

"bestattungskultur" 12/2023

bestattungskultur 12/2023

bestattungskultur 12/2023

Hinter diesem neuen Angebot verbirgt sich die Frage, was genau dahintersteckt. Das Unternehmen gibt auf seiner Webseite nur knapp Auskunft: Der Verstorbene wird "sanft auf Stroh und Grünschnitt gebettet" und dann "für 40 Tage in einem Kokon geborgen", wo er "natürlich durch Mikroorganismen umgewandelt" und zu "weicher fruchtbarer Erde" wird. Wenn man sich genauer mit den Details befasst, erfährt man, dass während des gesamten Prozesses auch Wasser und Sauerstoff hinzugefügt werden müssen. In den FAQs findet man auch den Hinweis, dass der "Kokon", in den der Verstorbene gelegt wird, "ganz langsam von Seite zu Seite gewiegt" wird und dass schließlich die verbleibenden "Knochen und Knochenfragmente verfeinert" werden. Die gewählte Sprache kann den fachkundigen Betrachter nicht davon ablenken, dass es sich hierbei um ein Malen oder Schreddern eben dieser Reste handelt, deren Existenz zunächst negiert wurde. Der Vergleich mit dem Krematorium auf der Webseite hinkt etwas, da die Knochenfragmente dort um ihre kollagenen Fasern vollständig reduziert sind. Die anorganischen, kalzifizierten Bestandteile sind dann sehr spröde und zerfallen fast von allein. Bei den bei der Kompostierung verbleibenden Knochenresten ist davon eher nicht auszugehen, wie jeder vermuten kann, der schon einmal eine Umbettung vorgenommen hat. Es gibt jedoch keine belastbare, öffentlich zugängliche Datenbasis dazu.

Dies wird auch von den Hamburger Rechtsmedizinern Ondruschka und Püschel sowie dem Frankfurter Rechtsmediziner Verhoff in einem gemeinsamen Papier bemängelt. Sie stellen fest: "Detaillierte Informationen zum eigentlichen Prozess durch den Anbieter fehlen ebenso wie wissenschaftlich belastbare Informationen, Messwerte und Dokumente zur Evaluation." Laut einem Artikel im Fachblatt "Archiv für Kriminologie" aus dem Jahr 2022 kann aus wissenschaftlicher Sicht eine Reerdigung als potenzielle Alternative zur Erd- und Feuerbestattung nicht befürwortet werden, solange solche Daten nicht vorliegen. Bereits 2020 kam der unabhängige wissenschaftliche Berater des niederländischen Gesundheitsrats zu einer noch entschiedeneren Position. Auch er bemängelt die mangelhafte wissenschaftliche Grundlage und weist zudem auf Probleme hin, die sich aufgrund der vergleichsweise niedrigen Temperatur beim Abbau von Krankheitserregern ergeben. Berichten europäischer Institutionen zufolge werden bei Tierkompostierungen beispielsweise Prione, die unter anderem für die Übertragung der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen verantwortlich sind, nicht vollständig zerstört. Aus diesem Grund darf das Endprodukt der Schweinekompostierung nicht in die Umwelt gelangen. Auch der anerkannte Jurist Tade Spranger, der sich bereits mit vielen Fragen zum Friedhofsrecht befasst hat, betont in einem Artikel in der Fachzeitschrift "Friedhofskultur" die Notwendigkeit einer grundlegenden Klärung verschiedener naturwissenschaftlicher und rechtlicher Aspekte. (...)

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